Textilien und Bekleidung

Kultur

Der Wunsch nach Kleidung begleitet die Menschheit seit Anbeginn. Ursprünglich diente sie dem Schutz vor Regen und Kälte, doch mit der Zeit gewannen Mode und Qualität der Stoffe an Bedeutung. Besonders begehrt war lange Zeit Seide, jedoch war sie nahezu unerschwinglich. Heutzutage ist die Vielfalt an verfügbaren Materialien schier grenzenlos.

 

Von Giacomo Dragone

29/03/2024

1. Die Ursprünge der Textilien

Die Ursprünge der Textilien reichen weit zurück. Leinengewebe zählen zu den ältesten Stoffen der Menschheit. Schon in den frühesten Hochkulturen wurde Flachs angebaut und zu Leinen verarbeitet. Mumien, die in ägyptischen Grabkammern gefunden wurden und in Leinen gehüllt waren, bezeugen die frühe Verwendung von Stoffgeweben.

Ebenso alt sind Textilien aus Baumwolle, die Menschen seit Tausenden von Jahren, besonders in Lateinamerika und Ägypten, trugen.

Ein weiterer wichtiger Rohstoff für die Textilherstellung war Wolle, die von Schafen und Ziegen stammte, die seit 9000 Jahren in Vorder- und Zentralasien beheimatet waren. In nördlicheren Regionen wurden oft Wollschafe wie Heidschnucken auf den Sandböden der mitteleuropäischen Heiden gehalten.

Die feinste Wolle lieferten Merinoschafe, die ursprünglich aus Kleinasien stammten. Die Schafzucht blühte im 14. Jahrhundert in Spanien auf.

Neben Wolle war Leinen lange Zeit das dominierende Gewebe in Mitteleuropa, aus dem Textilien hergestellt wurden.

Erst im Spätmittelalter erreichte Baumwolle über Venedig, damals der wichtigste Handelshafen, deutsche Städte aus Ägypten. In Süddeutschland wurde aus der importierten Baumwolle ein Stoff namens Barchent gewoben. Dieser Stoff besteht aus einem Mischgewebe, bei dem der Kettfaden aus Leinen und der Schussfaden aus Baumwolle besteht.

2. Die Bedeutung der Webtechnik

Das Herstellen von Stoff aus Fasern, sei es Wolle, Leinen, Baumwolle oder Seide, erfolgt erst durch das Weben.

Das Weben ist eine Technik, die bereits seit der Steinzeit bekannt ist. Archäologische Funde am nördlichen Alpenrand haben die ältesten bekannten Webstühle, sogenannte Gewichtswebstühle, ans Licht gebracht. Jeder Webstuhl besteht aus längs verlaufenden Fäden (Kettfäden) und quer verlaufenden Fäden (Schuss).

Beim Gewichtswebstuhl wurden Steine an den Enden der herabhängenden Kettfäden befestigt. Die einfachste Webtechnik ist die Leinwandbindung, bei der der Schussfaden unter den ersten Kettfaden gelegt wird, dann über den zweiten und so weiter. In keinem anderen Gewebe sind Kett- und Schussfäden so eng miteinander verwoben.

Die weltweit am meisten getragene Kleidung, Jeans, ist ein typisches Beispiel für eine andere Webtechnik, die sogenannte Köperbindung. Dabei wird der Schuss- oder Querfaden über zwei Kettfäden gelegt, dann unter einen Kettfaden, wieder über zwei, unter einen, und so weiter.

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Webtechnik kontinuierlich weiterentwickelt. Neue Webstühle wie der Schaftwebstuhl oder der Damastwebstuhl wurden erfunden, was das Weben zunehmend komplizierter machte. Im 19. Jahrhundert wurde der Jacquard-Webstuhl entwickelt, der es ermöglichte, Muster von beliebiger Komplexität mechanisch herzustellen.

3. Die Verlockung der Seide

Seide nimmt eine besondere Stellung unter den Textilfasern, Geweben und Stoffen ein. Schon die ersten Karawanen, die Jahrhunderte vor Christus über die Seidenstraße nach Europa zogen, transportierten Seidenstoffe.

Damals konnten sich nur gekrönte und gesalbte Häupter den Luxus eines Seidengewandes leisten. Das Wissen über die Herstellung von Seide aus den Kokons der Seidenspinnerraupe wurde streng in China gehütet.

Die Raupen, die die Seidenkokons spinnen, ernähren sich fast ausschließlich von den Blättern und Zweigen des Maulbeerbaums, der nur in wenigen Regionen der Welt wächst.

Nach der Legende sollen im 6. Jahrhundert nach Christus zwei Mönche die Kokons einiger Seidenraupen in ihren Spazierstöcken nach Byzanz geschmuggelt haben. Von dort aus begann die Seidenproduktion ihren Siegeszug in Europa. Lyon wurde später das Zentrum der europäischen Seidenproduktion, nachdem sie zunächst in italienischen Städten wie Lucca und Venedig Fuß gefasst hatte.

Maulbeerseide, die eine feine und gleichmäßige Garnstruktur besitzt und den Seidenstoffen ihren edlen Glanz verleiht, ermöglicht die Herstellung der hochwertigsten Stoffe, wie zum Beispiel Seidendamast. Dieser einfarbige Seidenstoff erhält seine Figurenmuster durch die entsprechende Webtechnik. Sein Name leitet sich von der syrischen Stadt Damaskus ab, wo die Kreuzfahrer ihn angeblich zum ersten Mal sahen.

Besonders edel und luxuriös sind Brokate, in die Metallfäden, insbesondere Silber- und Goldfäden, eingewoben sind. Diese teuren Seidenstoffe wurden bei feierlichen Zeremonien getragen oder dienten als Paravents, Vorhänge oder Wandbespannungen in Schlössern.

Seide

4. Der Welttextilmarkt im Wandel der Zeit

Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts waren in Nord- und Mitteleuropa Leinen und Wolle die am häufigsten verwendeten Textilien. Der Handel mit Baumwolle war aufgrund der mühsamen Handarbeit bei der Ernte zunächst begrenzt. Die Faser musste von Hand vom Samen getrennt werden.

Die klassischen Anbaugebiete von Baumwolle befanden sich in den Südstaaten der USA, darunter Florida, Carolina, Louisiana und Georgia. Die Erfindung der Spinnmaschine “Spinning Jenny” im Jahr 1764, der mechanischen Webmaschine im Jahr 1785 und der Entkörnungsmaschine im Jahr 1792 leiteten schließlich den weltweiten Siegeszug der Baumwolle ein. Eine Maschine konnte die gleiche Menge Baumwolle entkernen wie zuvor 1000 Arbeiter.

Um 1900 dominierte Baumwolle den Welttextilmarkt mit einem Anteil von 80 Prozent, was nahezu vier Millionen Tonnen Produktion entsprach. Heute liegt der Anteil bei rund 30 Prozent, und die jährliche Produktion beträgt etwa 25 Millionen Tonnen. Im Vergleich dazu macht Seide nur einen Prozentteil der Textilproduktion aus.

Im 20. Jahrhundert eroberten künstliche Fasern den weltweiten Markt, wobei ihr Ausgangsstoff Rohöl ist. Die erste reine Synthesefaser, Nylon, wurde 1939 von “DuPont” auf den Markt gebracht. Modegestalter nutzten sie, um die heiß begehrten Nylonstrümpfe für Frauen herzustellen.

Halbsynthetische Fasern aus Cellulose, wie beispielsweise Viskose, haben sich auf dem Markt durchgesetzt. Diese Fasern werden teilweise aus Holz gewonnen und sind bekannt für ihren seidigen Glanz, ihre Geschmeidigkeit und die feinen Fäden, ähnlich wie bei Seide. Viskose ist heute eine der wichtigsten Arten von Kunstseide.

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